Die Sicht der Gelderwerbskunst und die hypothetische Ökonomie

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οἱ δὲ πάσας ποιοῦσι χρηματιστικάς, ὡς τοῦτο τέλος ὄν, πρὸς δὲ τὸ τέλος ἅπαντα δέον ἀπαντᾶν.

1258a 12-14

Diese aber ([sc. die Gelderwerbskünstler]) machen aus allen Künsten Gelderwerbskünste, als ob dies ([sc. der Gelderwerb]) Ziel (aller Künste) sei und als würde alles, was ist, notwendig diesem Ziel (letztlich) begegnen.

1258a 12-14

ὦ πρέσβυ, πάντες ὥστε τοξόται σκοποῦ
τοξεύετ’ ἀνδρὸς τοῦδε, κοὐδὲ μαντικῆς
ἄπρακτος ὑμῖν εἰμι· τῶν δ’ ὑπαὶ γένους
ἐξημπόλημαι κἀκπεφόρτισμαι πάλαι.
κερδαίνετ’. ἐμπολᾶτε τἀπὸ Σάρδεων
ἤλεκτρον, εἰ βούλεσθε, καὶ τὸν Ἰνδικὸν
χρυσόν· τάφῳ δ’ ἐκεῖνον οὐχὶ κρύψετε,
οὐδ’ εἰ θέλουσ’ οἱ Ζηνὸς αἰετοὶ βορὰν
φέρειν νιν ἁρπάζοντες ἐς Διὸς θρόνους·
οὐδ’ ὣς μίασμα τοῦτο μὴ τρέσας ἐγὼ
θάπτειν παρήσω κεῖνον· εὖ γὰρ οἶδ’ ὅτι
θεοὺς μιαίνειν οὔτις ἀνθρώπων σθένει.
πίπτουσι δ’, ὦ γεραιὲ Τειρεσία, βροτῶν
χοἰ πολλὰ δεινοὶ πτώματ’ αἴσχρ’, ὅταν λόγους
αἰσχροὺς καλῶς λέγωσι τοῦ κέρδους χάριν.

Antigone (1033-1047).

O Alter! alle, wie auf eines Schützen Ziel
Zielt ihr auf unser einen. Ungeschult nicht bin
Von eurer Art ich in der Seherkunst nicht;
Verkauft bin ich seit langem und betrogen.
Gewinnet! Kauft von Sardes das Electrum,
Wenn ihr wollt, und Gold von Indien,
Doch in dem Grabe berget ihr nicht jenen,
Nicht, wenn der Donnervogel zukend ihn,
Vor Gottes Thron, als Speise tragen wollte.
Deß ungeachtet lass’ ich, der Krankheiten nicht
Des Himmels fürchtet, nicht ein Grab dem Manne.
Gott regt kein Mensch an, dieses weiß ich.
Es fallen aber, Greis Tiresias,
Von Sterblichen auch sehr Gewaltige,
Sehr wüsten Fall wenn solche Worte sie,
Die wüst sind, schön aussprechen, Vortheils wegen.

S. 249

Commentaries

1

Diese Sicht der GelderwerbkunstVgl. Kazmierski, Nomisma. Ein Beitrag zum Verständnis von Geld und Wert bei Aristoteles. ist für den Griechen tragisch ↗ , und zwar insofern sie verkennt und verkennen muss, dass jede Kunst das ihr eigene Ziel hat, über das hinaus sie notwendigerweise – d.h. als diese und nicht eine andere Kunst – kein anderes Ziel verfolgt. Diese Sicht der Gelderwerbskunst ist mithin tragisch, weil sie sich von ihrem Ziel blenden lässt, das ihr vorspielt, das Ziel aller Künste zu sein. Sie ist tragisch, insofern sie nicht nur geblendet ist, sondern sich blenden lässt von ihrem Ziel, ja überhaupt von der von ihrem Anfang, der organisch-harmonischen Ökonomie[Begriff „organisch-harmonische Ökonomie“ suchbar auszeichnen], losgelösten Zielhaftigkeit ihres Tuns. Insofern dieser Sicht der Gelderwerbskunst somit der ihr genuine Anfang abhanden kommt, wird sie anfänglich hypothetisch (vgl. Platon, Liniengleichnis), letzten Endes aber, was den Griechen kaum sichtbar wird, nihilistisch (vgl. Nietzsche, Fragment von Lenzer Heide). In dieser Blendung, letztlich durch das Nichts, d.h. der Bedingung der Möglichkeit dafür, dass etwas, das nicht ist so scheinen kann, als sei es Etwas schlechthin, liegt die Verblendung der Sicht des Gelderwerbskünstlers.
Dass nun diese Sicht etwas ist, dass nicht nur den Gelderwerbskünstler überfällt, sondern jeden Menschen überfallen kann, somit die hypothetische Ökonomie nicht nur Sache des Ökonomen ist, sondern genuin menschlich, dass sich folglich die genannte Tragödie der Sicht des Ziels und des Sichversehens am Ziel überall ins Spiel zu bringen vermag, davon gibt u.a. Sophokles in dem Drama Antigone vielfach Zeugnis. Im Folgenden eine von vielen möglichen Stellen:

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2

Kreon ist nicht mehr in der Lage auf das, was Teiresias zu ihm sagt, zu hören, sondern hört nur dessen vermeintliche Motive und Interessen heraus (seine eigentlichen, verborgenen „Ziele“), die Teiresias angeblich antreiben, ihn selbst der Botmäßigkeit dieser Motive zu unterstellen. Die Ziele der Seherkunst nun, das konkrete Ziel, welches Teiresias als Wissender, d.h. Zukunfts-Offener und daher Zukunft-Offenhaltender, hier verfolgt, erscheinen dem verblendeten, d.h. hypothetisch-gelderwerbskünstlerisch denkenden Kreon, selbst nur hypothetisch; so als sei die Herstellung von Schuhen nur das hypothetische Ziel der Schusterei, das eigentliche aber der Gelderwerb, und d.h.: als sei die Konsolidierung der Polis nicht ein Ziel als solches, sondern stehe in Relation zu und sei abhängig von den Interessen derjenigen, die diese Konsolidierung herstellen wollen, somit: als sei die Konsolidierung der Polis herstellbar, machbar, unabhängig von den Göttern, so wie die Schusterei oder der Gelderwerb.
Kreons Verblendung kulminiert in dem Spruch: καλῶς λέγειν τοῦ κέρδους χάριν – „nach der heimlichen Botmäßigkeit des Vorteils offenbar sprechen“. Kreon glaubt damit Teiresias zu enttarnen als von der Sicht der Gelderwerbskunst Geblendeten und offenbart darin das Ausmaß seiner eigenen Verblendung: Sein Handwerk, die Politik, mithin auch die Ökonomie, gelten ihm als das Spiel der Interessen, und sind nicht, worauf ihn Teiresias hinweisen will, der Befolgung von heiligen Gesetzen verpflichtet, die je schon älter sind als das jeweilige menschliche Tun, Lassen und Wissen.
Die Sicht der Gelderwerbskunst bringt damit ein hypothetisch-ökonomisches Wissen ins Spiel, gegen deren Geltung jede andere Kunst machtlos zu sein scheint. Diese Wissen ist nicht Eigentum der Ökonomie, sondern gründet im Dasein schlechthin, griechisch: in der φύσις. Umgekehrt bedeutet dies, dass die Ökonomie keine Teil- oder Spezialwissenschaft ist, sondern eigentlich Philosophie, Dichtung und Kunst. Mittelbar geben die beiden Stellen folglich der Hinweis darauf, dass die Ökonomie auch ihrer Entdeckung als echte Geisteswissenschaft noch harrt.

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